Gleichungen

[ Diophant ]

Seiner "Arithmetika" hat Diophant eine Einleitung hinzugefügt, in der er seine Symbolik erklärt. Die ersten sechs Potenzen einer Variablen x Namen und Symbole.

Die Unbestimmte x ("eine unbekannte Anzahl von Einheiten") wird "Zahl" genannt und durch ein s-ähnliches Zeichen symbolisiert.

heißt Quadratzahl und wird mit bezeichnet (das Symbol leitet sich von dynamis = Kraft, Potenz ab). Die weiteren Potenzen geben wir in folgender Tabelle an:

Kubikzahl (von kybos = Würfel)

Quadratquadratzahl (von dynamodynamis)

Quadratkubikzahl (dynamokybos)

Kubikkubikzahl (kybokybos)

Zahlen, die nicht als Koeffizienten von Unbestimmten auftreten, heißen "Einheiten" und werden durch Hinzufügen von (von monas = Einheit) gekennzeichnet.

Auch für die reziproken Werte der Unbekannten führt Diophant Symbole ein, indem er für negative Exponenten das Zeichen verwendet. So schreibt er für seiner Symbolschrift . Das Zeichen wird für ein unbestimmtes Quadrat verwendet. Die Gleichheit wird durch die beiden Buchstaben angegeben, die Abkürzung für das Wort isos = gleich. Die Addition wird durch Juxtaposition der Summanden gekennzeichnet, Klammern gibt es

nicht. Allerdings betrachtet Diophant bereits negative Größen. Diese werden durch Voransetzen des Symbols (umgedrehtes, abgekürztes ) angegeben. Diophant gibt für diese negativen Größen folgende Vorzeichenregel an:

"Das Produkt zweier verneinter Größen ist positiv, das Produkt einer verneinten und einer positiven Größe ist negativ."

Die Zahlen werden durch die Buchstaben des griechischen Alphabets angegeben über die ein Querstrich gezogen wird. Zur Darstellung der Ziffern von 1 bis 9, der Zehner von 10 bis 90 und der Hunderter von 100 bis 900 werden die 24 Buchstaben des griechischen Alphabets um drei ältere Buchstaben ergänzt.

Somit ist Diophant in der Lage, Polynome und Gleichungen symbolisch anzuschreiben. Ein Beispiel:

sieht bei Diophant so aus: .

Diophant erkennt klar die Notwendigkeit, die Grundoperationen zu beherrschen und damit Gleichungen zu lösen. So schreibt er:

"Nachdem ich dir die Multiplikation der Potenzen und ihrer reziproken Werte erklärt habe, ist auch die Division dieser Ausdrücke klar. Für den Anfänger der Wissenschaft ist es nun gut, wenn er sich in der Addition, Subtraktion und

Multiplikation algebraischer Ausdrücke übt. Er muß wissen, wie man positive Ausdrücke und negative Ausdrücke mit verschiedenen Koeffizienten zu anderen Ausdrücken hinzufügt, die selbst beide positiv oder auch positiv und negativ sein können, und wie man von Ausdrücken, die Summen oder Differenzen sein können, andere Größen wegnimmt, die ihrerseits Summen oder Differenzen sein können."

Das Lösen von linearen Gleichungen in einer Unbekannten wird von Diophant im Detail beschrieben. Er schreibt, man solle die negativen Ausdrücke auf beiden Seiten addieren, bis die Ausdrücke auf beiden Seiten der Gleichung alle positiv sind, und dann wiederum Gleiches von Gleichem solange abziehen bis auf beiden Seiten nur je ein Term übrig bleibt. Er verspricht an dieser Stelle des Textes auch eine Technik zu erklären, die man verwenden kann, wenn auf einer Seite zwei Arten von Zahlen übrigbleiben. Offensichtlich ist dabei die quadratische Gleichung gemeint. Allerdings ist diese Textstelle nicht erhalten geblieben. Auch in den kürzlich neu aufgefundenen weiteren vier Büchern der Arithmetika findet sich nichts darüber. Wohl aber kennen wir aus der Arithmetika Beispiele von quadratischen Gleichungen und deren Lösung. Als Beispiel sei die Aufgabe 6 aus dem 6. Buch der Arithmetika angeführt:

"Es ist ein rechtwinkliges Dreieck von der Art zu finden, daß seine Fläche, um eine Kathete vergrößert, gleich einer gegebenen Zahl ist. Die gegebene Zahl sei 7."

"Es werde das rechtwinklige Dreieck 3x, 4x, 5x angesetzt. Dann müßte sein. Damit die Gleichung rational lösbar wird, müßte das Quadrat des halben Koeffizienten von x, vermehrt um das Produkt aus dem Koeffizienten von und der Zahl 7, ein Quadrat sein. Das ist aber nicht der Fall. Es wird also notwendig sein, ein rechtwinkliges Dreieck derart zu finden, daß das Quadrat der einen halben Kathete, vermehrt um das 7-fache der Fläche, ein Quadrat ist.

Es sei die eine Kathete x, die andere 1. Dann muß und somit auch das 4-fache, nämlich 14x + 1, ein Quadrat sein. Damit die Seiten des Dreiecks rational sind, muß auch ein Quadrat sein. Die Differenz der Ausdrücke () und (14x + 1) ist (). Wenn () in Faktoren zerlegt wird, so ist der eine

Faktor x, der andere x - 14. Die halbe Differenz dieser Faktoren ergibt quadriert 49.

Wir setzen 14x + 1 = 49 und erhalten .

Ich setze also die eine Kathete , die andere 1 und multipliziere alles mit 7. Dann wird die eine Kathete 24, die andere 7, die Hypotenuse 25. Diese Werte multipliziere ich mit y. Dann wird die Summe aus der Fläche und der zweiten Kathete , und es entsteht . Hieraus ergibt sich . Die Dreiecksseiten sind also 6, . So ist die Aufgabe gelöst."

Wie hochentwickelt die Fähigkeiten Diophants waren, zeigt die folgende Aufgabe 39 aus dem 4. Buch der Arithmetika, die der Übersetzung dieses Werkes ins Deutsche entnommen wurde. Neben der gebotenen anspruchsvollen Leistung ist diese Aufgabe deshalb so interessant, weil sie ein Lösungsverfahren für Gleichungen des Typs enthält. Dieser Gleichungstyp tritt nur versteckt auf, nämlich als Ungleichung .

Die Aufgabe lautet so:

"Es sind drei solche Zahlen zu finden, daß die Differenz zwischen der größten und mittleren Zahl zur Differenz der mittleren und kleinsten Zahl ein gegebenes Verhältnis hat, und daß außerdem die Summen von je zweien der Zahlen Quadrate sind." "Es soll die Differenz der größten und mittleren Zahl das 3-fache der Differenz der mittleren und kleinsten Zahl sein. Die größte Zahl werde G, die mittlere M, die kleinste K genannt. M + K ist ein Quadrat, es sei 4. Daher ist M < 2, es sei M = x + 2, dann ist K = 2 - x. Da G - M = 3 ( M - K ) ist, ist M - K = 2x, G - M = 6x, daher G = 7x + 2.

Es verbleiben nun die beiden Bedingungen: G + K und G + M sollen Quadrate sein. Es entsteht also die Doppelgleichung: 8x + 4 und 6x + 4 müssen Quadrate sein. Da in beiden Ausdrücken das unabhängige Glied ein Quadrat ist, so ist diese Doppelgleichung lösbar.

Ich bilde also zwei Zahlen, deren Produkt 2x ist, entsprechend dem, was wir über die Doppelgleichung wissen. Es seien die Zahlen und 4. Dann erhalte ich x = 112.Wenn ich nun zum Ansatz zurückkehre, so sehe ich, daß ich 112 von 2 nicht subtrahieren kann. Ich will also x so bestimmen, daß es kleiner als 2 ist, daher 6x + 4 < 16.

Da ich nun will, daß 8x + 4 und 6x + 4 Quadrate sind, so sind die drei Zahlen 8x + 4, 6x + 4, 4 Quadrate. Die Differenz des größten und mittleren Quadrats ist der dritte Teil der Differenz des mittleren und kleinsten Quadrats.

Ich werde also zu der Aufgabe geführt, drei Quadrate , , zu finden von der Beschaffenheit, daß -=(-), = 4, < 16. Es sei das Quadrat von x + 2, also = + 4x + 4. Da nun-=(-) und = + 4x + 4, so folgt -=+x. Es ist aber = + 4x + 4, daher = + 5x + 4. Es muß also auch, indem man mit 9 multipliziert, 12 + 48x + 36 ein Quadrat sein, also auch der vierte Teil 3 + 12x + 9. Ich will aber weiter, daß < 16, die Wurzel aus also kleiner als 4 ist. Die Wurzel aus ist aber x + 2. Also muß x < 2 sein.

Es soll also 3 + 12x + 9 ein Quadrat sein. Ich bilde demnach das Quadrat von 3 – kx, es ist 9 - 6kx + . Es würde sich dann ergeben . Ich werde also dazu geführt, eine solche Zahl k zu finden, die, mit 6 multipliziert und um 12 vermehrt, aber dann dividiert durch die Differenz des Quadrates der Zahl k und der Zahl 3, einen Quotienten ergibt, der kleiner als 2 ist. Es muß also (12 + 6k) : (-3) < 2 : 1 sein oder 6k + 12 < 2- 6 oder 6k + 18 < 2. Wenn wir einer solchen Bedingung genügen wollen, so haben wir den halben Koeffizienten von k, also die Zahl 3, ins Quadrat zu erheben, so daß wir 9 erhalten, und das Produkt des Koeffizienten von und der Zahl, die nicht mit k verbunden ist, also der Zahl 18, zu bilden, so daß wir 36 erhalten. Nun addiere 36 + 9 = 45. Die Wurzel aus 45 ist kleiner als 7. Nimm also eine Zahl, die nicht kleiner als 7 ist, addiere den halben Koeffizienten von k, es ergibt das eine Zahl, die nicht kleiner als 10 ist. Dividiere durch den Koeffizienten von . Es entsteht eine Zahl, die nicht kleiner ist als 5.

Ich setze also 3+ 12x + 9 = und erhalte x = .

Ich setze die Wurzel des mittleren Quadrates x + 2, sie ist also , das mittlere Quadrat ist also =. Ich kehre zur ursprünglichen Aufgabe zurück und setze , also eine Quadratzahl, gleich 6x + 4. Dann ist 726x + 484 = 1849 und . Diese Zahl ist kleiner als 2. Wir setzen nun M = x + 2, K = 2 - x, G = 7x + 2. Es wird also sein:

.

Da nun 726 kein Quadrat ist, so kürzen wir mit 6 und erhalten

, , .

Wenn wir die Doppelbrüche vermeiden wollen, erweitern wir mit 4 und erhalten

,,.

So ist die Aufgabe gelöst."

 

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