Ägypten

[ Die Ägypter ]

Über die Mathematik der Ägypter, die in der Zeit von etwa 3000 v. Chr. bis zur Antike im Niltal Träger einer blühenden Kultur waren, weiß man wesentlich mehr als über vorhergehende Zeitperioden. Die Griechen schrieben den Ursprung der Mathematik den Ägyptern zu, wie man aus entsprechenden Passagen in den Schriften von Herodot oder von Aristoteles entnehmen kann.

Eine genauere Kenntnis der ägyptischen Mathematik verdanken wir vor allem drei aufgefundenen Urkunden: Dem Papyrus Rhind (etwa 1700 v. Chr.), dem Papyrus Moskau und der (jetzt in London befindlichen) Lederrolle. Daneben sind noch einige weniger bedeutende Papyri erhalten. Die ersten beiden Urkunden sind Beispielsammlungen (sie enthalten 84 bzw. 25 Aufgaben), die Lederrolle ist eine Tafel von Stammbrüchen.

Die Aufgaben sind vor allem praktischer Natur und betreffen etwa die Verteilung von Lohnsummen auf mehrere Arbeiter, die Berechnung des Getreidebedarfes für die Zubereitung einer bestimmten Menge Brot, die Berechnung von Flächen- und Rauminhalten usw. .
Van der Waerden vermutet, daß die Aufgaben zur Schulung der Beamten dienen sollten - das alte Ägypten hatte eine ausgeprägte und gut entwickelte Bürokratie.

Die Ägypter konnten die vier Grundrechnungsarten auf die Addition aufbauend durchführen (z.B. wurde die Multiplikation durch fortgesetzte Verdoppelung und Addition der Ergebnisse durchgeführt; 12 * 12 etwa wurde so berechnet:

1 * 12 = 12, 2 * 12 = 24, 4 * 12 = 48, 8 * 12 = 96, 96 + 48 = 144).

Die Ägypter behandelten auch schon die Bruchrechnung, wobei sie aber nur Stammbrüche (das sind Brüche mit Zähler 1) verwendeten und alle anderen Brüche als Summen von Stammbrüchen darstellten(etwa 3/8 = 1/4 * 1/8).

Sie konnten auch schon lineare und rein quadratische Gleichungen mit einer Unbekannten lösen (Aufgaben dieser Art hießen Hau-Rechnungen). In der Geometrie konnten die Ägypter die Fläche von Dreiecken, Rechtecken und Trapezen nach den richtigen Formeln berechnen.
Für Pi verwendeten sie den guten Näherungswert (16/9)² Die bedeutendste geometrische Leistung der Ägypter, die uns bekannt ist, ist die Volumenberechnung eines quadratischen Pyramidenstumpfes nach der Formel

V * (a² + ab + b²) * h/3 ,

die natürlich nicht als Formel hingeschrieben, aber richtig angewendet wurde. Eine Mathematik im eigentlichen Sinn mit Beweisen aber besaßen die Ägypter nicht.

Was haben die Griechen von den Ägyptern an mathematischen Kenntnissen übernommen? Entsprechend dem Charakter der ägyptischen Mathematik beschränken sich diese Kenntnisse auf Rechenvorschriften und Rechenregeln, zu denen z.B. das Rechnen mit Stammbrüchen gehört. Einen weitergehenden Einfluß der Ägypter auf die griechische Mathematik aber gab es sicher nicht.