[ Die Würfelverdopplung ]
Bei Eutokios von Askalon, einem späten Kommentator von Archimedes, findet man die Wiedergabe eines Briefes, den angeblich Eratosthenes an König Ptolemaios schrieb (mit großer Wahrscheinlichkeit ist dieser Brief eine Fälschung). Der Brief beginnt so:
"Dem König Ptolemaios wünscht Eratosthenes Glück und Wohlsein. Von den alten Tragödiendichtern, sagt man, habe einer den Minos, wie er dem Glaukos ein Grabmal errichten ließ, und hörte, daß es auf allen Seiten 100 Fuß haben werde sagen lassen:
'Zu klein entwarfst du mir die königliche Gruft. Verdopple sie; des Würfels (Gestalt) jedoch verfehle nicht !'
Man untersuchte aber auch von Seiten der Geometer, auf welche Weise man einen gegebenen Körper, ohne daß er seine Gestalt veränderte, verdoppeln könnte, und nannte die Aufgaben dieser Art: des Würfels Verdoppelung; denn einen Würfel zugrunde legend, suchte man diesen zu verdoppeln. Während nun lange Zeit hindurch alle ratlos waren, entdeckte zuerst Hippokrates von Chios, daß, wenn zwischen zwei Strecken, von denen die größte doppelt so lang ist wie die kleinste, zwei mittlere Proportionale gefunden werden können, daß dann der Würfel verdoppelt werden könnte. Wonach er seine Ratlosigkeit in eine andere nicht geringere Ratlosigkeit verwandelte. Nach der Zeit, erzählt man, wären die Delier, weil sie von einer Krankheit be allen waren, einem Orakel zufolge geheißen worden, einen ihrer Altäre zu verdoppeln, und in dieselbe Verlegenheit geraten. Sie hätten aber die bei Platon in der Akademie gebildeten Geometer beschickt und gewünscht, sie möchten ihnen das Verlangte auffinden. Da sich diese nun mit Eifer der Sache unterzogen und zu zwei gegebenen (Strecken) zwei mittlere (Proportionale) suchten, soll sie der Tarentiner Archytas mittels halbzylinder aufgefunden haben, Eudoxos aber mittels der sogenannten Bogenlinien. Es widerfuhr ihnen aber insgesamt, daß sie zwar ihre Zeichnungen mit geometrischer Evidenz nachgewiesen hatten, sie aber nicht leicht mit der Hand ausführen und zur Anwendung bringen konnten ......."
Der Beitrag des Hippokrates zu diesem Problem war also die Umformung in das folgende äquivalente Problem: Gegeben sind zwei Strecken a und b. Man konstruiere Strecken x und y so, daß gilt:
a : x = x : y = y : b.
Hat man diese fortlaufende Proportion gelöst, so gilt:
= ay, = bx, also = = a bx und daher . Zur Würfelverdoppelung wählt man dann b = 2a. Eine der ersten Lösungen für dieses zur Würfelverdoppelung äquivalente Problem wurde von Archytas mit geometrischen Methoden gefunden. Weitere frühe Lösungen wurden von Eudoxos (seine Lösung ist leider verschollen) und Menaichmos angegeben. Der Gedankengang des Menaichmos zur Lösung des Problems ist uns durch den Bericht des Eutokios überliefert. Dieser Gedankengang führte zu der Entdeckung der Kegelschnitte.
Wir wollen hier eine Lösung vorführen, die ebenfalls von Eutokios beschrieben wird und die er dem Platon zuschreibt. Allerdings ist es höchst unwahrscheinlich, daß diese Lösung wirklich von Platon stammt, da sie sich mechanischer Hilfsmittel bedient, die bekanntlich von Platon abgelehnt wurden.
Wir gehen von nebenstehender Analysenfigur aus:
Wenn es gelingt, auf den Verlängerungen der Schenkel OA und OB eines rechten Winkels, auf dem gegebene Strecken und abgetragen sind, zwei Punkte M und N so zu konstruieren, daß und senkrecht auf stehen, dann sind und wegen der Ähnlichkeit der Dreiecke OAM, OMN und ONB zwei mittlere Proportionale zwischen und . Um M und N zu erhalten, denkt "Platon" (laut Eutokios) sich einen Winkelhaken FGH (siehe untere Abbildung) mit einem verschiebbaren, Lineal , das stets senkrecht zu gehalten wird, gegeben. Verschiebt man das Lineal so, daß durch A und durch B geht, während G auf der Geraden AO und K auf der Geraden OB bleibt, so ist das Problem gelöst.