[ Die chinesische Mathematik ]
Die Chinesen und die Inder sind alte Kulturvölker. Dementsprechend haben auch beide Völker eine ziemlich hochstehende Mathematik entwickelt. Die Mathematik der Chinesen - die nach ihrem Niedergang in China von den Japanern übernommen und noch etwas ausgebaut wurde - hat die Entwicklung unserer Mathematik nur in sehr geringem Maß beeinflußt, da die Kontakte zwischen China und dem Abendland sehr beschränkt waren. Die Mathematik der Inder hingegen hat auf dem Weg über die arabische Mathematik in zwei entscheidenden Punkten Einfluß auf die abendländische Mathematik ausgeübt.
Das erste erhalten gebliebene mathematische Lehrbuch der Chinesen ist das "Chou Pei Suan Ching'', dessen Entstehungszeit auf den Zeitraum zwischen 1200 v. Chr. und 100 v. Chr. geschätzt wird (es ist abgefaßt in der Form eines Dialoges zwischen einem Prinzen und seinem Minister über den Kalender). Fast ebenso alt ist das Lehrbuch "Chiu Chang Suan Shu" ("Neun Kapitel über mathematische Kunst"); dieses ist eine Sammlung von 246 Aufgaben über Landvermessung, Landwirtschaft, Steuerbemessung, Handelsverträge, Technik, Lösung von Gleichungen und rechtwinkelige Dreiecke. In diesem Buch findet sich z.B. folgende Aufgabe:
"Ein zehn Fuß hoher Bambusstab wird abgebrochen, das Ende sinkt zu Boden und erreicht den Boden drei Fuß vom Stamm. In welcher Höhe ist der Bambusstab abgebrochen?"
Die Chinesen hatten im wesentlichen ein Dezimalsystem und schrieben ihre Zahlen in den sogenannten Bambusziffern, die schon mehrere hundert Jahre vor unserer Zeitrechnung verwendet wurden:
Einer: | |
Zehner: | |
Hunderter wie Einer, Tausender wie Zehner, usw. |
Die Ziffern wurden dabei in derselben Reihenfolge angeordnet wie unsere Ziffern. Diese Ziffern sind insoferne nicht unzweckmäßig, als Rechnungen nicht schriftlich ausgeführt, sondern tatsächlich mit Bambusstäbchen auf einem Rechenbrett gelegt wurden.
Die chinesische Mathematik entwickelte sich allmählich weiter. So findet. sich bei den Chinesen etwa uni 300 n. Chr. der recht genaue Wert 3,14159 für π welcher von Liu Hui mit Hilfe der Annäherung des Kreises durch ein regelmäißiges 3072-Eck abgeleitet wurde. Den Höhepunkt erreichte die Mathematik der Chinesen im 13. Jahrhundert n. Chr. Der bedeutendste Mathematiker dieser Zeit war Chu Shi-Kie, der unter anderem das Lehrbuch "Szu-yuem Yü-kien" ("Kostbarer Spiegel der vier Elemente") schrieb. ein Buch über algebraische Gleichungssysteme und Über algebraische (Gleichungen bis um Grad 14. die er mit einer Art von Hornerverfahren löste. Auch findet man in diesem Werk die Summenformel
sowie das Pascalsche Dreieck. Im Anschluß an diese Leistungen bricht aber die Mathematik in China jäh ab.
Um 1600 jedoch griffen die Japaner, die mathematischen Kenntnisse der Chinesen auf und es entwickelte sich in Japan eine blühende mathematische Schule, deren bedeutendster Vertreter wohl Seki Kowa (um 1700) ist. Die Japaner kannten die allgemeine Lösung der diophantischen Gleichung bx - ay = 1, verwendeten eine Art von Determinanten, kannten die Binomialreihe, rechneten mit Kettenbrüchen und besaßen eine mit der Newtonschen Interpolationsformel verwandte Formel. Die Mathematik im alten Japan wurde als geheime Tempelwissenschaft gepflegt und war nur einem Kreis von Eingeweihten bekannt.