Arithmetik

[ Die Entstehung der Logarithmen ]

Die stürmische Entwicklung der Astronomie im 15. und 16. Jahrhundert brachte eine ausgedehnte Beobachtungstätigkeit mit sich. Das so erhaltene umfangreiche Datenmaterial mußte dann numerisch verarbeitet werden. Dabei machten die Multiplikation und Division großer Zahlen Schwierigkeiten wegen des damit verbundenen Rechenaufwandes. Man war daher bestrebt, diese Rechenoperationen zu erleichtern. Den ersten Schritt in diese Richtung machte der Nürnberger Pfarrer Johannes Werner 1514, indem er ein Verfahren veröffentlichte, das die Rückführung der Multiplikation und Division auf die Addition und Subtraktion ermöglichte.

Er benützte dazu die trigonometrischen Funktionen, indem er mittels der Additionstheoreme Produkte von Winkelfunktionen durch Funktionen der Summe und Differenz zweier Winkel ersetzte. Man nennt dieses Verfahren "prostaphairetische Methode". Es wurde von Werner im Zusammenhang mit dem Seitencosinussatz der sphärischen Trigonometrie gefunden. Im wesentlichen benützte er zur Vereinfachung der Multiplikation die Formel

Zunächst wurden die beiden zu multiplizierenden Zahlen durch Multiplikation (bzw. Division) mit einer geeigneten Zehnerpotenz als Sinus eines Winkels bzw. dargestellt, dann und durch Nachschlagen in einer geeigneten Sinustafel eruiert, hierauf -und +berechnet, davon jeweils der Cosinus nachgeschlagen.Schließlich wurden die Werte subtrahiert, und nun wurde nur noch durch 2 dividiert und die ursprüngliche Veränderung durch Division (bzw. Multiplikation) mit den Zehnerpotenzen rückgängig gemacht, um das Produkt zu erhalten.

Diese Methode erfreute sich großer Beliebtheit. Tycho de Brahe verwendete sie anfänglich bei seinen astronomischen Berechnungen durchwegs. Die prostaphairetische Methode wurde erst durch die Einführung der Logarithmen verdrängt.

Die Entdeckung der Logarithmen erfolgte unabhängig voneinander durch zwei Persönlichkeiten, nämlich durch den Schweizer Jost Bürgi und den Schotten John Neper (Napier).

Bürgi hat seine-Tafeln, die sogenannten "Progreß Tabulen", wahrscheinlich in den Jahren 1603 bis 1611 verfaßt. Dies wissen wir aus einem Bericht seines Schwagers aus dem Jahr 1630:

"Aus diesem Fundament hat mein lieber Schwager und Praeceptor Jobst Bürgi (vor zwanzig und mehr Jahren) eine schöne progresstabul mit ihren Differenzen von 10 zu 10 in 9 Ziffern calculirt, auch zu Prag ohne bericht in Anno 1620 drucken lassen. Und ist also die Invention der Logarith. nicht deß Neperi, sondern von gedachtem Bürgi (wie solches vielen wissend - und ihm auch Herr Keplerns Zeugniß gibt), lange zuvor erfunden."

Bürgi hat seine Tafeln also erst 1620 unter dem Titel "Arithmetische und Geometrische Progreß-Tabulen, sambt gründlichem unterricht, wie solche nützlich in allerley Rechnungen zu gebrauchen und verstanden werden sol" veröffentlicht.

Als Vorläufer für die Entwicklung der Logarithmen wird eine Tabelle des RechenMeisters Stifel angesehen. Dieser stellte nämlich eine Tafel der Potenzen von 2 auf, in der auch negative Exponenten vorkommen:

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

5

6

1

2

4

8

16

32

64

Man könnte diese Zuordnung als Logarithmentafel für mit und interpretieren (allerdings nur für ganzzahliges y).

Stifels Idee benützte Bürgi bei der Aufstellung seiner Progreßtabulen. Die Zahlen der arithmetischen Folge ( ... ) nennt Bürgi "rote Zahlen". Sie stehen in der oberen Randspalte und in der linken Randspalte, beginnend mit 0 und jeweils um 10 fortschreitend. Die Zahlen der geometrischen Folge ( ...) nennt Bürgi "schwarze Zahlen". Sie beginnen mit , und das Glied wird nach der Rekursionsformel berechnet und in der Tafel unter geschrieben. Den Anfang der Progreßtabulen zeigt die folgende Abbildung:

 

 

0

500

1000

1500 ...3500

0

10

20

100000000

10000

20001

100501227

11277

21328

101004966

15067

25168

101511230

21381

31534

30

40

50

30003

40006

50010

31380

41433

51487

35271

45374

55479

41687

51841

61006

60

.

.

.

500

60015

.

.

.

100501227

61543

.

.

.

101004966

65584

.

.

.

....11230

72153

.

.

.

....20032

Bezeichnen wir Bürgis "rote Zahlen" mit L (sie sind ja den Logarithmen gleichwertig), so gilt

Wir könnten also heute die Progreßtabulen als eine Art "Antilogarithmentafeln" ansehen. Wie wurde nun mit diesen Tafeln gerechnet? Zunächst mußte man die behandelten Zahlen durch Multiplikation mit oder Division durch Zehnerpotenzen (und darauffolgendes Runden) in neunstellige Zahlen verwandeln. Waren zwei derartige Zahlen gegeben, so berechnete Bürgi beispielsweise das Produkt von 154030185 mit 205518112 auf folgende Weise:

L(154 030 185) ist nach der Progreßtabule 43200 (d.h. die der "schwarzen Zahl" 154 030 185 entsprechende "rote Zahl" ist 43 200), 1-(205 518 112) 72 040. Die Summe der "roten Zahlen" ist 115240. Dieser entspricht in der Tabelle die "schwarze Zahl" 316 559 928, und "diese sindt die 9 ersten Ziffern des products an welchen wir in unser Tabulen nur 9 Ziffern haben". Die wirkliche Anzahl der Produktstellen wurde im Kopf ermittelt. Das Werk Bürgis wurde infolge der Wirren des Dreißigjährigen Krieges jedoch nicht allgemein bekannt.

Während Bürgis System auf algebraischen Überlegungen beruhte, fand der Schotte John Neper einen anderen Zugang zu den Logarithmen. Er entwickelte die Idee des Logarithmus in den Neunzigerjahren des 16. Jahrhunderts und publizierte seine Überlegungen 1614 unter dem Titel "Mirifici logarithmorum canonis descriptio". Neper war an der Vereinfachung von Rechnungen in der sphärischen Trigonometrie interessiert. Daher betrachtete er zunächst nur den Fall des Logarithmus des Sinus eines Winkels. Seine Idee kann man auf folgende Art beschreiben:

Gegeben sei eine Strecke und ein Strahl OE:

 

Auf der Strecke und dem Strahl bewegen sich die Punkte C und D gleichzeitig mit derselben Anfangsgeschwindigkeit von A bzw. 0 weg. C bewegt sich dabei stets mit einer Geschwindigkeit, die numerisch gleich ist seiner Entfernung von B, während sich D mit konstanter Geschwindigkeit bewegt. Nun definiert Neper den Logarithmus (in Zeichen N-log) von als die Strecke , d.h. x = N-log y. Da das Rechnen mit Dezimalbrüchen damals noch nicht allgemein üblich war, vermied Neper das Auftreten von Brüchen, indem er = wählte (die ihm zur Verfügung stehenden Sinustafeln waren siebenstellig). Wir sehen also, daß Neper sich ebenfalls die Beziehung zwischen arithmetischen und geometrischen Reihen zunutze machte.

Nepers Logarithmen waren im wesentlichen Logarithmen zur Basis . Es gilt nämlich:

Dies können wir auf folgende Weise einsehen:

Es ist = - y, und die Geschwindigkeit des Punktes C ist gegeben durch

Wir trennen in dieser Differentialgleichung die Variablen, integrieren und bestimmen durch die Anfangsbedingung y(0) = die Integrationskonstante = In . So erhält man: In y = -t + In .

Die Geschwindigkeit des Punktes D ist gegeben durch

also x = t.

Somit gilt:

was wir zeigen wollten.

Die Entdeckung Nepers erregte das Interesse von Henry Briggs. Dieser suchte Neper auf und schlug ihm vor, die Basis 10 zu verwenden. Neper begann mit den Berechnungen für diese neuen Logarithmentafeln. Nach seinem Tod stellte Briggs die Tafeln fertig und publizierte sie 1624 unter dem Namen "Arithmetica logarithmica".

Das Wort "Logarithmus" stammt von Neper. Es bedeutet soviel wie Verhältniszahl (ursprünglich hatte er den Namen "künstliche Zahl" verwendet).

Die Logarithmen fanden rasche Verbreitung und waren zunächst vor allem bei den Astronomen sehr beliebt. So bemerkte Laplace: "Durch die Arbeitserleichterung infolge der Verwendung von Logarithmen wird das Leben der Astronomen verdoppelt".

Unsere heutige Exponentendefinition des Logarithmus findet sich erstmalig in einer nicht publizierten Schrift Eulers aus dem Jahre 1728. Dort verwendet Euler e als Basis für die Logarithmen. Erstmalig wurden die Logarithmen 1742 in der heute üblichen Weise eingeführt und systematisch behandelt durch William Jones in seiner Einleitung zu den Logarithmentafeln William Gardiners.

Die Idee des "Rechenschiebers", also des logarithmischen Rechenstabs, hatte zuerst Edmund Gunter 1624. Um 1650 waren bereits Rechenstäbe in unserem heutigen Sinn (also mit beweglicher Zunge) im Umlauf. Durch die Einführung des Taschenrechners wurde der Rechenschieber, der bis dahin vor allem vom Ingenieur häufig verwendet wurde, nahezu vollständig verdrängt.

 

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