[ Das Rechnen mit dem Abakus ]
Das schriftliche Rechnen auf Grund unserer heutigen Algorithmen hat sich erst relativ spät entwickelt - wie wir im vorigen Abschnitt ausführten. Vorläufer dieses Rechnens waren das Kopf- und Fingerrechnen und das Rechnen auf dem Rechenbrett, dem sogenannten Abakus.
Das Kopfrechnen wurde früher sicherlich mehr gepflegt als heute. Schon einer ägyptischen Quelle aus der Zeit um 1300 v. Chr. entnehmen wir folgende Ermahnung eines Lehrers an seine Schüler.
"Wenn du schweigend rechnest, so lasse kein Wort hören!"
Voraussetzung für das Kopfrechnen war das Erlernen des Einmaleins, das natürlicher Bestandteil jeder mathematischen Bildung war.
So schrieb beispielsweise Augustinus:
"1 und 1 ist 2, 2 und 2 ist 4, war mir ein verhaßter Gesang."
Im Bamberger Rechenbuch von 1483 wird das Einmaleins als "Der grund alles Multiplicirens" bezeichnet.
Im 18. Jahrhundert tritt dann das Kopfrechnen hinter das schriftliche Rechnen zurück. J. Hübsch schreibt 1762
"Man übe sich erst wohl, mit der Feder, ehe man im Kopf rechnen will."
Die Darstellung von Zahlen mit Hilfe der Finger ist Bestandteil des sogenannten Fingerrechnens. Eines der Systeme findet sich in der nebenstehenden Abbildung, die aus einem Manuskript des 16. Jahrhunderts entnommen ist.
Die Darstellung von Zahlen mittels Fingerzeichen wurde bereits im antiken Griechenland verwendet. Der Gebrauch dieser Methode stand bis ins Mittelalter in hoher Blüte. Es wurden Anleitungen zur Berechnungen des Osterdatums in dieser Technik unter dem Titel "Computus ecclesiasticus" verfaßt. Weiterhin wurden Verfahren entwickelt, um mit den Fingern das Einmalseins ausdrücken zu können.
Naturgemäß konnten mittels der Fingerrechnung nur die einfachsten Rechenaufgaben gelöst werden. Für komplizierte Fragestellungen mußte man andere Hilfsmittel ersinnen.
Eine der Triebfedern des zivilisatorischen Fortschritts war immer schon das Bestreben, Probleme des täglichen Lebens durch das Ersinnen technischer Hilfsmittel leichter bewältigen zu können. Das Rechnen und ganz allgemein das Zählen gehörten sicherlich zu diesen Problemen. Die erste Idee zur Erleichterung des Rechnens war, ein sogenanntes Rechenbrett zu verwenden, auf dem das Rechnen mechanisiert werden konnte. Das Wort "Abakus" leitet sich vom griechischen Wort "Abakion" ab, was soviel wie "runde Platte" bedeutet. So ein Rechenbrett ist uns aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. in Form einer Marmortafel erhalten geblieben. Es wurde auf der Insel Salamis gefunden. Die Abmessungen sind 149 x 75 x 4,5 cm.
Auf die zueinander parallel gezogenen Kolonnen wurden Rechensteinchen gelegt. Je nach ihrer Stellung auf dem Rechenbrett wurde den Steinchen ein anderer Wert zugeschrieben. Auf den waagrechten Kolonnen wurden die Rechensteinchen hin- und hergeschoben. Am unteren Ende der Tafel befinden sich die Stellenbezeichnungen (hauptsächlich in dezimaler Einteilung).
Der Abakus war im Altertum weit verbreitet. So schreibt etwa Polybios:
"Höflinge sind wie Steinchen auf dem Rechenbrett: Nach Belieben des Rechners sind sie einen Chalkus wert oder ein Talent."
In der Römerzeit entwickelte sich der tragbare Handabakus. Die Abbildung zeigt eines der erhaltenen Stücke:
Von Archimedes wissen wir, daß er seine Rechnungen auf einem sandbestreuten Brett durchführte. Die Inder und Araber verwendeten dazu Staubbretter. So liest man in der "Arithmetik" des al-Uqlidisi folgende Begründung dafür, daß das schriftliche Rechnen dem Rechnen am Staubabakus vorzuziehen sei:
"Der Mensch haßt es, das Staubbrett zwischen seine Hände zu nehmen, wenn er die Kunst des Rechnens benötigt, weil er fürchtet, daß die Zuseher sein Tun falsch verstehen. Es schadet ihm, denn (das Brett) wird zwischen den Händen der schlechten Menschen gesehen, die sich ihren Lebensunterhalt durch Astrologie in den Straßen erwerben. Weiters findet es der Rechner schwer, festzustellen, wie er eigentlich gerechnet hat, außer er wiederholt die Rechnung. Außerdem ist die Tafel dem Wind ausgesetzt, der die Figuren verändert, noch dazu macht man sich die Finger schmutzig "(an anderer Stelle vermerkt al-Uqlidisi, daß man diesem Mangel durch Verwendung eines Griffels abhelfen könne)" und schließlich gibt es noch andere Dinge, die die Ordnung zerstören."
Auch die Chinesen legten ihre Bambuszählstäbchen auf Rechenbretter. So bildeten sich verschiedene Formen des Abakus aus. Die chinesische Form, der sogenannte Suan Pan (siehe Abbildung), wird heute noch in Asien verwendet.
Wie die Addition auf dem Rechenbrett ausgeführt wurde, zeigt die folgende Abbildung am Beispiel von 259 + 126 = 385:
Beim Rechnen auf dem Rechenbrett wird die Multiplikation auf die wiederholte Addition zurückgeführt, die Division auf die wiederholte Subtraktion. Die folgende Berechnung von 16 320 : 160 entnehmen wir einem Buch von Recorde:
Zunächst werden die Abakus ausgelegt, in die freie Mittelspalte wird dann der Quotient gelegt. Dann wird der Divisor möglichst weit so hochgerückt, daß er gerade noch vom Dividenden abgezogen werden kann. Man zieht nun den Divisor so oft wie möglich vom Dividenden ab und legt die Anzahl auf die Linie g'. Nun wiederholt man das Verfahren mit dem um eine Stufe herabgesetzten Divisor usw. So erhält man schließlich den Quotienten 102.
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