[ Die Entwicklung der elektronischen Rechner ]
Neben der Entwicklung des Zahlbegriffes und des Zahlensymbolismus stellte die Mechanisierung des Rechnens eine der Wurzeln der modernen Datenverarbeitung dar. Eine weitere entscheidende Voraussetzung für unsere Datenverarbeitung bildete die Entdeckung der Programmsteuerung.
Einer der fleißigsten "Automatenentwerfer" in der Antike war Heron. Als Beispiel für seine Leistungen sei hier das Modell eines automatischen Türöffners angeführt:
Zündet man auf dem hohlen Opferstein ein Feuer an, so erwärmt er sich allmählich und damit die in ihm befindliche Luft. Diese drückt das Wasser aus dem kugelförmigen Behälter über ein U-Rohr in einen Eimer. Dieser wird schwerer als das Gegengewicht und sinkt zu Boden. Dadurch werden die Rollen bewegt, und die Tür des Tempels öffnet sich.
Mit dem Ersinnen ähnlicher Automaten haben sich die Naturwissenschaftler seit der Zeit Herons immer wieder beschäftigt. Diese Entwicklung brachte die Konstruktion astronomischer Uhren mit sich und fand einen gewissen Höhepunkt in der Schaffung der Androiden im 18. Jahrhundert. Das waren schreibende, zeichnende oder orgelspielende Puppen, die im wesentlichen nocken- oder hebelgesteuerte Automaten waren. Dieses Steuerungsprinzip findet sich heute noch in unseren musikalischen Spieldosen.
Die Urform der Lochkarten ist uns aus dem Jahr 1728 bekannt. In Holztäfelchen wurden Löcher in verschiedenen Anordnungen gebohrt, um Information zu speichern. Damit versuchte der französische Mechaniker Falcon, einen Webstuhl zu steuern. Aber erst 1805 gelang dem Franzosen Joseph-Marie Jacquard der Durchbruch in dieser Technik. Den nach ihm benannten automatischen Webstuhl steuerte er mit großen gelochten Karten aus Karton. Die Verwendung der Lochkartentechnik für den allgemeinen Gebrauch wurde mit der Volkszählung 1880 in Amerika eingeleitet, als Hermann Hollerith Lochkarten als Informationsspeicher verwendete und diese Daten maschinell auswertete. Hollerith wird allgemein als Begründer der maschinellen Datenverarbeitung angesehen.
Mit den Fortschritten in der Technik der Programmsteuerung waren nun alle Voraussetzungen für die Entstehung der modernen Rechenautomaten gegeben. Am Anfang der eigentlichen Geburtsstunde des Computers steht der englische Mathematiker Charles Babbage. Babbage war es gewohnt, langwierige Rechnungen in Einzelschritte zu zerlegen. Er kannte Lochkarte und dekadisches Zählrad. Als er nun damit beschäftigt war, Logarithmentafeln auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, kam ihm die Idee eines Rechenautomaten. Sein Konzept war aber der Zeit um 100 Jahre voraus, denn die technischen Voraussetzungen zur Verwirklichung dieses Konzepts waren damals einfach noch nicht gegeben. Babbage investierte sein gesamtes Vermögen in den Bau seiner programmgesteuerten Rechenmaschine, der Bau eines klaglos funktionierenden Automaten gelang ihm aber nicht.
Letztlich scheiterte er an mechanischen Unzulänglichkeiten. Die Ideen Babbages wurden vergessen und mußten 100 Jahre später neu entdeckt werden.
Der erste funktionierende programmgesteuerte Rechner wurde erst 1935 von dem Deutschen Konrad Zuse unter Verwendung von elektromagnetischen Relais gebaut. Die Weiterentwicklung dieses Rechners, der 1941 fertiggestellte Z3, besaß bereits 64 Zahlenspeicher, ein Tastenfeld zur Eingabe von Zahlen und ein Lampenfeld zur Ausgabe der Ergebnisse. Das Nachfolgemodell, der Z4, welcher 1945 fertig wurde und noch lange nach Kriegsende zuverlässig arbeitete, bot auch schon die Möglichkeit, Unterprogramme vom Hauptprogramm aus aufzurufen. Für eine Multiplikation brauchte er allerdings noch 2,5 Sekunden, für eine Division gar 5 Sekunden.
Der erste rein elektronische Rechner entstand jedoch 1946 in den USA. Es war dies der legendäre ENIAC, der an die 18 000 Röhren und 1500 Relais enthielt und dementsprechend 30 Tonnen wog. Er konnte zwar nur 20 zehnstellige Zahlen gleichzeitig speichern, doch war seine Rechengeschwindigkeit auf Grund der Röhrenbauweise gegenüber etwa dem Z4 bereits um den Faktor 100 000 höher.
Seither wurden die Großrechenanlagen ständig verbessert und weiterentwickelt. Die großartigen Fortschritte auf dem Gebiet der Mikroelektronik führten zu einer beständigen Miniaturisierung bei gleichzeitiger Vervielfachung der Rechnerleistung.
Aber auch auf dem Gebiet der Kleinrechner setzte in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts eine stürmische Entwicklung ein. Während mechanische Tischrechenmaschinen nach Kriegsende relativ lange im Umlauf waren - ein Beispiel ist die berühmte, 1948 gebaute CURTA, welche äußerlich einer Kaffeemühle glich und damals der Traum eines jeden Technikers war -, hielt gegen Ende der Sechzigerjahre die Elektronik auch langsam bei den Kleinrechnern Einzug. Wichtige Impulse kamen dabei aus der Weltraumtechnik, die nach einer immer weiter fortschreitenden Miniaturisierung der Bauelemente verlangte.
1967 baute die Firma Texas Instruments den ersten Ein-Chip-Taschenrechner, der allerdings für die Anzeige der Ergebnisse noch einen Drucker benötigte. 1971 kam dann unter der Bezeichnung HP-35 der nach heutigem Sprachgebrauch erste technisch-wissenschaftliche Taschenrechner auf den Markt, und zwar wurde dieser Rechner von der amerikanischen Firma Hewlett-Packard erzeugt. Er hatte schon eine Leuchtdiodenanzeige und die meisten in der Mathematik wichtigen Standardfunktionen konntet bereits mittels Tastendruck aufgerufen werden.
Obwohl sein Preis, welcher anfangs ca. ÖS 15.000,--/DM 2.000,-- betrug, nach heutigen Maßstäben sehr hoch war, war er trotzdem sofort ein voller Erfolg, und es wurden von ihm in der Folge weltweit übw, 1 Million Stück verkauft. 1974 setzte Hewlett-Packard mit der Präsentation des HP-65 erneut einen Meilenstein in der Taschenrechnertechnologie. Es war dies der erste programmierbare Taschenrechner, und obendrein bot er die Möglichkeit, die Programme, welche bis zu 100 Tastendrucke lang sein konnten, auf Magnetkarten abzuspeichern. Inzwischen war auch die Firma Texas Instruments, welche bis dahin in erster Linie als Chiplieferant in Erscheinung getreten war, in den Taschenrechnermarkt eingetreten, und es kam in den folgenden Jahren zu einem spannenden Duell zwischen diesen beiden Firmen um den besseren Taschenrechner, welches von eineni rapiden Preisverfall begleitet war. Kostete etwa der HP-65 anfangs noch über NU, 25.000,--/DM 3.500,--, so sind heute (1984) schon programmierbare Taschenrechner (ohne Magnetkartenleser, aber dafür mit Permanentspeicher) um weniger als ÖS 1.000,--/ DM 140,-erhältlich.
Gegen Ende der traten auch zunehmend japanische Firmen in den Taschenrechnermarkt ein. Trotzdem war es für Fachleute eine große Überraschung, daß die nächste große Innovation, nämlich die Verwendung einer höheren Programmiersprache anstelle der bloßen Speicherung durch Tastendrücken, nicht von den etablierten Firmeit Hewlett-Packard oder Texas Instruments, sondern von einem japanischen Außenseiter kam. Sharp brachte 1960 den ersten BASIC-programmierbaren Taschenrechner heraus, den PC-1211, der den bisherigen Spitzenmodellen, dem HP-41C bzw. dem TI- 59, ihre Vorrangstellung kostete. Eine weitere japanische Firma, Casio, präsentierte mit dem FX-702 P einige Monate später ebenfalls einen BASIC-programmierbaren Taschenrechner, der bis auf eine etwas höhere Rechengeschwindigkeit dem PC-1333 sehr ähnlich ist. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt aber der PC 1500 dar, welchen Sharp 1982 vorstellte. Er besitzt ein erstaunlich leistungsfähiges BASIC einen bis zu 11,5 KB ausbaubaren Speicher (1 KB = 1024 Byte), und als Option die Möglichkeit, einen Vierfarbendrucker anzuschließen, mit dem auch detaillierte Graphik wiedergegeben werden kann. Auch die Möglichkeit, über ein Interface den Fernseher zur Bildausgabe zu verwenden, ist vorhanden. Die Entwicklung auf dem geht in unvermindertem Tempo weiter, obwohl schon die Modelle der frühen achtziger Jahre Möglichkeiten aufweisen, von denen ein Wilhelm Schickhardt nicht zu träumen gewagt hätte.
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