[ Probleme der Primzahlverteilung ]
Der Begriff der Primzahl war schon Euklid bekannt. In seiner Proposition 20 von Buch IX der "Elemente" gibt er den berühmten indirekten Beweis für die Unendlichkeit der Menge der Primzahlen, der in unveränderter Form heute noch in den ersten Stunden jeder Vorlesung über Zahlentheorie gebracht wird. Proposition 14 desselben Buches der Elemente ist äquivalent zum Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung, dem Fundamentalsatz der Zahlentheorie.
Zweitausend Jahre nach Euklid fand Euler einen von Euklids Beweis gänzlich verschiedenen neuen Beweis für die Unendlichkeit der Menge aller Primzahlen. Eulers Argument verläuft folgendermaßen:
Nach der Summenformel für die unendliche geometrische Reihe gilt für jede Primzahl p:
.
Angenommen nun, es gäbe nur endlich viele Primzahlen dann erhalten wir
denn nach dem Produktsatz für unendliche Reihen kann man konvergente Reihen mit positiven Gliedern gliedweise ausmultiplizieren und beliebig umordnen, und nach dem Fundamentalsatz der Zahlentheorie ist jede natürliche Zahl eindeutig als Produkt von Primzahlpotenzen darstellbar. Da die harmonische Reihe aber divergiert, kann die soeben gefundene Gleichung nicht richtig sein. Die Annahme, es gäbe nur endlich viele Primzahlen, hat uns also auf einen Widerspruch geführt.
Man kann aus diesem Beweis leicht eine wichtige Folgerung ziehen: Aus der zuletzt abgeleiteten Formel folgt nämlich, daß das unendliche Produkt divergiert.
Also gilt
und somit auch
Wegen p < 1 gilt:
das heißt, es gilt auch , das heißt, die über alle Primzahlen erstreckte unendliche Reihe divergiert.
Den Eulerschen Beweisgedanken hat Dirichlet dann verwendet, um den folgenden berühmten und sehr tiefliegenden Satz zu beweisen:
Sind a, b zueinander teilerfremde Zahlen, dann enthält die Folge der Zahlen an + b, n = 1, 2, 3, . . . , unendlich viele Primzahlen. Ein berühmtes bisher ungelöstes Problem ist die Frage, ob es unendlich viele "Primzahlzwillinge" gibt oder nicht. Primzahlzwillinge sind dabei Paare von Primzahlen der Gestalt p, p + 2 (etwa 5, 7 oder 11, 13). Ein hochinteressantes Ergebnis über die Primzahlzwillinge wurde aber im Jahre 1919 von dem norwegischen Mathematiker V. Brun bewiesen, der zeigte, daß die über alle Primzahlzwillinge erstreckte Summe selbst dann einen endlichen Wert hat, wenn sie unendlich viele p Glieder enthalten sollte. Es gibt also "um soviel weniger" Primzahlzwillinge als Primzahlen, daß im Gegensatz zur Summe der Reziproken der Primzahlen die Summe der Reziproken der Primzahlzwillinge endlich ist. Der Wert dieser Summe aber, die sogenannte Brunsche Konstante, ist bis heute nicht bekannt.
Schon seit nahezu hundert Jahren jedoch ist eine andere berühmte Vermutung über die Primzahlen bewiesen, der sogenannte Primzahlsatz:
Ist (n) die Anzahl der Primzahlen p n, dann gilt .
Der Beweis dieses schon von Legendre und Gauß als Vermutung ausgesprochenen Satzes wurde 1896 unabhängig voneinander von Hadamard und de la Vallée Poussin gefunden. Die Beweise wurden seither zwar etwas vereinfacht, erfordern aber auch heute noch umfangreiche Hilfsmittel aus der Analysis.
Weiter mit: