[ Die Entstehung der analytischen Geometrie ]
Wie bereits erwähnt, ist die Entwicklung der analytischen Geometrie wohl die bedeutendste Leistung der Barockzeit.
Schon Apollonios von Perga im Altertum und Nikolaus Oresme im Mittelalter verwendeten den Grundgedanken der analytischen Geometrie - nämlich geometrische Sachverhalte mit Hilfe von Zahlen zu algebraisieren -, wenn auch in einer für unser heutiges Denken schwerfälligen Gestalt. In der Barockzeit wird die analytische Geometrie in einer Form entwicket, die unserer heutigen Gestalt der analytischen Geometrie schon viel näher kommt, und zwar durch zwei Mathematiker: Fermat und René Descartes (um 1630).
Fermat betrachtete in seiner Abhandlung "Ad locos planos et solidos isagoge" die geometrische Darstellung der Linearformen und quadratischen René Descartes Formen durch Gerade bzw. Kegelschnitte. Seine Bezeichnungsund Darstellungsweise ist jedoch schwerfälliger als die von Descartes, und seine Schrift erschien erst posthum 1679 in seinen gesammelten Werken, als die analytische Geometrie dank der wesentlich früher erschienenen Abhandlung des Descartes schon Gemeingut vieler Mathematiker war. Mit Recht gilt daher Descartes als der Begründer der analytischen Geometrie. Descartes war ursprünglich Offizier, quittierte aber bald den Dienst und wandte sich der Wissenschaft zu. In erster Linie beschäftigte er sich mit der Philosophie. Er ist der Begründer des Rationalismus, durch den das aristotelische System der Naturphilosophie überwunden wurde. Das philosophische System des Descartes ist nach dem Vorbild der Mathematik streng logisch aufgebaut und lehnt den Rückgriff auf die Antike ab. Es wird dargestellt in seinem philosophischen Hauptwerk "Discours de la méthode". Als Anhang dazu veröffentlichte er 1637 "La Géométrie". Dieses Werk beginnt mit dem Satz:
"Jedes Problem der Geometrie kann leicht so ausgedrückt werden, daß die Kenntnis der Längen gewisser Strecken für seine Konstruktion hinreichend ist"
Die algebraische Bezeichnungsweise des Werkes ist einheitlich, einprägsam und umfassend. Das Werk des Descartes bringt auch in bezeichnungstechnischer Hinsicht Dinge, die sich bis heute gehalten haben, wie etwa die Verwendung der letzten Buchstaben des Alphabets für Unbekannte, der ersten für bekannte Größen. Es ist historisch gesehen das erste mathematische Lehrbuch, welches für einen heutigen Mathematiker ohne Schwierigkeiten im Verständnis der Bezeichnungsweise lesbar ist. Mit seinen Methoden löst Descartes eine größere Anzahl von geometrischen Problemen auf rein algebraischem Weg, z.B. ein klassisches Problem des Pappos ("Locus ad quattuor lineas"). Obwohl das Werk des Descartes sehr knapp geschrieben war, fand es bei den Zeitgenossen sofort großes Interesse. Der Holländer Frans van Schooten (um 1650) gab mehrere Ausgaben der "Géométrie" mit Ergänzungen und Kommentaren heraus, und in dieser Form wurde sie bald ein Standardwerk.
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