Barock

[ Arithmetik und Rechentechnik ]

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts rechnete man vielfach noch im Sexagesimalsystem. Nun begann sich aber das Dezimalsystem durchzusetzen. Einer der ersten, der es konsequent verwendete, war der Franzose Francois Viéte (um 1570), der in seinem "Canon mathematicus" auch die Winkelfunktionen im Dezimalsystem ausdrückte. Als der eigentliche Bahnbrecher des Rechnens mit Dezimalzahlen gilt aber der Holländer Simon Stevin (um 1600), der in seinem Büchlein "Thiende" das Rechnen mit Dezimalzahlen ausführlich beschreibt. Der allgemeine Gebrauch der Dezimalzahlen wurde durch ihn üblich, unsere heutige Kommaschreibweise geht allerdings auf Neper zurück. Stevin verfaßte übrigens auch Tafeln für Zinseszins- und Rentenrechnungen und verwendete schon die Potenzschreibweise, wobei auch Potenzen mit gebrochenem Exponenten - die ja schon Oresme verwendet hatte - wieder auftauchen.

Wie bereits erwähnt, beherrschte man zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits die Algorithmen für die vier Grundrechnungsarten. Bei umfangreichen Rechnungen - wie sie insbesonders auch die Astronomie erforderte - hatte man damit aber wegen des großen Zeitaufwandes Schwierigkeiten (obwohl natürlich diese Algorithmen gegenüber dem Abakus einen großen Gewinn an Rechenkapazität brachten). Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, wurde von Johannes Werner zunächst 1514 die sogenannte prostaphairetische Methode ersonnen, die darauf beruht, mit Hilfe des ersten Additionstheorems für Sinus bzw. Cosinus die Multiplikation auf eine Addition zurückzuführen. Dieses Verfahren wurde von Tycho Brahe in die praktische Trigonometrie und Astronomie eingeführt und war um 1600 wohlentwickelt, es war aber noch immer etwas schwerfällig. Es war daher ein großer Schritt nach vorne und brachte eine beträchtliche Steigerung der Rechenkapazität, als um 1600 die Logarithmen und ihre Anwendung für das Rechnen entdeckt wurden. Diese Entdeckung wurde unabhängig voneinander von zwei Männern gemacht:

Dem Schweizer Uhrmacher Jost Bürgi, der in Prag tätig war und um 1600 seine "Progreß Tabulen" berechnete (das sind Tafeln der Potenzen von , einem ausgezeichneten Näherungswertwert für e ; diese wurden aber erst 1620 gedruckt und blieben infolge des Dreißigjährigen Krieges fast unbemerkt), und dem Schotten John Neper, einem Landedelmann, der die Wissenschaft als Amateur zum Vergnügen betrieb. 1614 veröffentlichte Neper seine "Mirifici logarithmorum canonis constructio", das sind Logarithmen zur Basis (auch der Name "Logarithmen" stammt von Jost Bürgi Neper). Die Veröffentlichung von Nepers Logarithmen fand sofort große Beachtung in der Fachwelt, und auch verschiedene andere Mathematiker berechneten Logarithmentafeln. Henry Briggs (um 1620) regte Neper dazu an, Logarithmen zur Basis 10 zu berechnen, und als der Tod Neper daran hinderte, die Tafeln fertigzustellen, tat dies Briggs. Er publizierte 1624 seine "Arithmetica logarithmica", weiche die 14-stelligen Logarithmen der Zahlen von 1 bis 20 000 und von 90 000 bis 100 000 enthält. In der Rechenpraxis dauerte es etwa 50 Jahre, bis die Logarithmen die prostaphairetische Methode verdrängt hatten. Im Anschluß an die Logarithmen wurde dann der Rechenschieber erfunden, der ja eng damit zusammenhängt, und zwar von den Engländern Edmund Gunter und Edmund Wingate.

Die nächsthöhere (und bisher höchstentwickelte) Stufe der Rechenhilfsmittel, die Rechenmaschinen, beginnen ihre Entwicklung ebenfalls in der Barockzeit. Die erste ech Rechenmaschine baute 16Wilhelm Schickhardt auf Anregung von Kepler in Tübingen. Diese Maschine war mit Übertragungswerk ausgestattet, konnte damit automatisch addieren und subtrahieren, mittels drehbarer Zahlenzylinder aber auch multiplizieren und dividieren.

Vor der Auslieferung nach Linz, der damaligen Wirkungsstätte Keplers, Skizze der Rechenmaschine von Wilhelm Schickhardt ging die Maschine aber durch (aus einem Brief Schickhardts an Kepler, 1623) Feuer zugrunde. (Eine Rekonstruktion der Maschine befindet sich an der Linzer Universität.) 1641 konstruierte dann Pascal eine Maschine von ähnlichem Typ, die als erste Maschine in "Serie" ging. Es wurden davon durch Pascal nämlich etwa 50 Exemplare hergestellt und verkauft. 1674 erfand Leibniz die für alle vier Grundrechnungsarten in gleicher Weise verwendbare Staffelwalzenmaschine, die im Prinzip bis zum zweiten Weltkrieg nicht mehr übertroffen wurde. Dann aber kamen die Computer (erster 1941 von Konrad Zuse, zweiter 1944 von Howard Aiken entwickelt), die dank der großen Fortschritte in der Elektronik rasch verbessert wurden und noch kaum abzuschätzende Folgen für die Menschheit haben. Ein Produkt der Entwicklung auf dem Gebiet der Elektronik ist auch der Taschenrechner, durch den Logarithmentafel und Rechenschieber bereits vollständig verdrängt worden sind.

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