Die drei klassischen Probleme der Antike

 

[ Die Unmöglichkeitsbeweise ]

Den griechischen Mathematikern ist trotz großer Anstrengung die Lösung der klassischen Probleme unter Beschränkung auf die Euklidischen Hilfsmittel nicht gelungen. Heute wissen wir, daß diese Probleme unter dieser Bedingung unlösbar sind, und die Beweise dafür können zumindest beim Delischen Problem und bei der Winkeldreiteilung bereits in einer Algebra-Vorlesung des zweiten Semesters geführt werden, sind also relativ leicht zugänglich. Was ist der Grund dafür, daß wir heute die Unlösbarkeit der klassischen Probleme so leicht durchschauen können, während die Griechen an diesen Problemen scheiterten? Der eigentliche Grund dafür liegt im Übergang von der rein geometrischen Behandlung geometrischer Probleme - auf die sich die Griechen ja fast ausschließlich beschränkt haben - zur rechnerischen Behandlung dieser Probleme. Die ungeheure Kraft der analytischen Methode konnte schon der Entdecker der analytischen Geometrie Descartes unter Beweis stellen, als er das klassische Problem des "Locus ad quattuor lineas", das von Apollonios aufgeworfen und von Pappos in verallgemeinerter Form behandelt, aber in dieser Form nicht gelöst werden konnte, ohne große Mühe erledigte. Für die Behandlung der klassischen Probleme war allerdings zur Zeit von Descartes die Algebra noch zu wenig entwickelt. Mit den Fortschritten in der Theorie der algebraischen Gleichungen aber begann man auch die algebraische Form der Bedingungen dafür, daß eine Konstruktionsaufgabe mit Euklidischen Hilfsmitteln gelöst werden kann, zu erkennen. Einen ersten großen Schritt in dieser Richtung setzte Gauß in seinen "Disquisitiones arithmeticae", als er im wesentlichen alle natürlichen n ermittelte, für die das reguläre n-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Die von Galois entwickelte Theorie der Auflösung algebraischer Gleichungen mittels Wurzelausdrücken lieferte ein einfaches algebraisches Kriterium für die Konstruierbarkeit einer geometrischen Größe mit Euklidischen Hilfsmitteln, und aufgrund dieses Kriteriums ergab sich die Unlösbarkeit des Delischen Problems und des Problems der Winkeldreiteilung. Die Unmöglichkeit der Kreisquadratur hingegen wurde erst später durch den Lindemannschen Beweis für die Transzendenz von Pi erwiesen.

Wir wollen nun den Gedankengang skizzieren, nach dem unsere heutigen Unmöglichkeitsbeweise verlaufen (wobei wir die Grundbegriffe der algebraischen Theorie der Körper als bekannt voraussetzen müssen):

Eine Konstruktion mit den Euklidischen Hilfsmitteln setzt sich aus folgenden "Grundkonstruktionen" zusammen: Verbinden zweier Punkte, Zeichnen eines Kreises durch einen Punkt, Schneiden zweier Geraden, Schneiden eines Kreises mit einer Geraden, Schneiden zweier Kreise.

Wenn also eine geometrische Größe mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, dann wird ihre Maßzahl aus den Maßzahlen der Ausgangsgrößen durch Anwendung der vier Grundrechnungsarten und der Operation des Quadratwurzelziehens gewonnen, das heißt, der Erweiterungskörper des Körpers, der von den Maßzahlen der Grundgrößen erzeugt wird, ist ein Körper, der aus dem "Grundkörper" durch endlich oft wiederholtes Adjungieren von Quadratwurzeln entsteht, er hat somit über dem Grundkörper den Grad mit geeignetem r. Da die zu konstruierende Grüße in diesem Körper liegt, ist sie algebraisch über dem Grundkörper, und die eindeutig bestimmte irreduzible algebraische Gleichung mit Anfangskoeffizienten 1 über dem Grundkörper, die von ihr erfüllt wird, hat ebenfalls eine Zweierpotenz als Grad.

Erfüllt umgekehrt die Maßzahl einer auf Konstruierbarkeit zu untersuchenden geometrischen Größe - diese Maßzahl kann auch eine komplexe Zahl sein - eine irreduzible algebraische Gleichung mit einer Zweierpotenz als Grad über dem von den Maßzahlen der Grundgrößen erzeugten Körper, dann läßt sich der Körper, in dem die Größe liegt, aus dem Grundkörper durch endlich oftmaliges Adjungieren einer Quadratwurzel erhalten, und da sich Summe, Differenz, Produkt und Quotient von Strecken, sowie von komplexen Zahlen, und auch die Quadratwurzel aus einer Strecke, sowie aus einer komplexen Zahl, mit Zirkel und Lineal konstruieren lassen, ist die zu untersuchende Größe mit Euklidischen Hilfsmitteln konstruierbar.

Also: Eine geometrische Größe ist dann und nur dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn ihre Maßzahl algebraisch über dem Grundkörper ist und die eindeutig bestimmte irreduzible Gleichung mit Anfangskoeffizienten 1, die von ihr erfüllt wird, als Grad eine Zweierpotenz hat.

Im Falle des Delischen Problems ist die Maßzahl der gesuchten Größe die Zahl . Diese ist algebraisch über dem Körper der rationalen Zahlen und erfüllt die irreduzible Gleichung (daß diese Gleichung irreduzibel ist, kann man etwa mit dem "Eisensteinschen IrreduzibiliLätssatz" zeigen). Daher ist das Delische Problem mit den Euklidischen Hilfsmitteln unlösbar.

Im Falle der Winkeldreiteilung geht man davon aus, daß daraus, daß ein gegebener Winkel a mit den Euklidischen Hilfsmitteln dreigeteilt werden kann, folgt, daß die Strecke aus der Strecke mit Zirkel und Lineal konstruiert werden kann. Auf Grund der Gleichung (die man etwa aus der de Moivreschen Formel leicht herleiten kann) erfüllt also die Gleichung .

Wählt man etwa so, daß , dann wird diese Gleichung (wie man wieder mit dem Eisensteinschen Satz leicht zeigen kann) irreduzibel, und a kann daher nicht mit Zirkel und Lineal dreigeteilt werden. Es kann daher kein allgemeines Verfahren zur Winkeldreiteilung mit den Euklidischen Hilfsmitteln geben.

Wäre schließlich der Kreis mit Euklidischen Hilfsmitteln quadrierbar, dann wäre auch Pi mit Zirkel und Lineal konstruierbar. Wie nun aber Lindemann 1882 gezeigt hat, ist Pi transzendent, erfüllt also überhaupt keine algebraische Gleichung.

Bei der Untersuchung der Konstruierbarkeit des regelmäßigen n-Ecks mit Zirkel und Lineal schließlich - ebenfalls ein berühmtes Problem, das in der Geschichte der Mathematik eine wichtige Rolle gespielt hat - geht man davon aus, daß ein regelmäßiges n-Eck genau dann konstruierbar ist, wenn für das regelmäßige n-Eck der komplexen Zahlenebene mit dem Koordinatenursprung als Mittelpunkt, mit Umkreisradius 1 und dem Punkt z = 1 als Eckpunkt der erste Eckpunkt im ersten Quadranten konstruierbar ist. Die diesem Eckpunkt entsprechende komplexe Zahl erfüllt eine irreduzible algebraische Gleichung init ganzen Zahlen als Koeffizienten vorn Grad (n) - wo die Eulersche -Funktion, also die Anzahl der primen Restklassen modulo n. bezeichnet. Notwendig und hinreichend für die Konstruierbarkeit des regelmäßigen n-Ecks ist also, daß (n) eine Zweierpotenz ist. So kommt man zu dem - von Gauß entdeckten - Resultat, daß das regelmäßige n-Eck genau dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. wenn die Primzahlzerlegung von n von der Gestalt ist, wobei die voneinader verschiedene Primzahlen der Gestalt + 1. sogenannte Fermatsche Primzahlen sind. Durch dieses Resultat fügte Gauß den im Altertum bekannten konstruierbaren regelmäßigen n-Ecken mit einer Primzahl p als Eckenzahl, nämlich dem Dreieck und dem Fünfeck, drei weitere hinzu, nämlich das 17-Eck, das 257-Eck und das 65537-Eck. Mehr derartige n-Ecken sind bisher nicht bekannt.