Barock

[ Algebra und Zahlentheorie ]

Wie bereits erwähnt, stand die Algebra in der Barockzeit - im Gegensatz zum Mittelalter und vor allem zur Renaissance, wo sie eine Glanzzeit hatte - weitgehend im Hintergrund und machte bis etwa 1760 kaum Fortschritte. Allerdings gewann in der Barockzeit die algebraische Symbolik ihre heutige Gestalt, und damit war die Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Algebra geschaffen.

An der Ausbildung der algebraischen Symbolik maßgeblich beteiligt ist Viéte (um 1570), ein französischer Jurist. Dieser führte in seiner "Logistica speciosa" erstmalig auch für die Koeffizienten einer Gleichung Buchstaben als Symbole ein und erkannte somit als erster den Unterschied zwischen dem Begriff der Unbekannten und dem Begriff des Parameters (allerdings ließ er Buchstaben nur für positive Parameter zu und mußte daher viele Fallunterscheidungen machen). Er erkannte auch bereits den Zusammenhang zwischen den Koeffizienten einer Gleichung und ihren Wurzeln (weshalb die diesbezügliche Aussage der Vietasche Wurzelsatz genannt wird). Auch die als "Hornersches Verfahren" bekannte Methode zur näherungsweisen Auflösung algebraischer Gleichungen beliebigen Grades - die allerdings schon lange vorher in China und auch in der Spätzeit der arabischen Mathematik bekannt war - gab er an. Von Viéte stammt auch die Rückführung des Casus irreducibilis der kubischen Gleichung auf die Gleichung , mit deren Hilfe die komplexen Zahlen vermieden werden können.

An der Entwicklung unserer heutigen algebraischen Formelsprache sind neben Viéte mehrere Mathematiker französischer und englischer Herkunft beteiligt, die aber sonst keine bedeutenden Leistungen vollbracht haben. In der Barockzeit beginnt sich der Gebrauch der Zeichen < und > , des Malkreuzes und des Divisionsdoppelpunktes sowie der Potenz- und Wurzeischreibweise in unserer heutigen Form durchzusetzen. Diese Formelsprache ermöglichte es dann, die Theorie der algebraischen Gleichungen weiterzuentwickeln. Allerdings kam man damit nur langsam voran, nicht zuletzt auch deswegen, weil der Begriff der komplexen Zahl damals noch ziemlich nebulos war. Immerhin sprach Albert Girard 1629 als erster den Fundamentalsatz der Algebra aus (dieser wurde nach mehreren fehlerhaften Versuchen berühmter Mathematiker 1797 von Gauß in seiner Dissertation erstmalig bewiesen), man kannte auch schon das Verfahren der Abspaltung von Wurzeln eines Polynoms und den Begriff der mehrfachen Nullstelle eines Polynoms. Beim Problem der Radikalauflösung der Gleichung fünften Grades kam man aber nicht weiter. So sind die Fortschritte der Algebra in der Barockzeit doch eher gering. In die Barockzeit fällt jedoch die eigentliche Entstehung der Zahlentheorie, als deren Vorläufer in der Antike ja Diophantos anzusehen ist. Dessen "Arithmetika" regte den französischen Juristen Pierre de Fermat (um 1630) zur Beschäftigung mit diesem Gebiet an. Berühmt ist die von ihm entdeckte Methode der "Descente infinié". Bei dieser Methode wird die Lösung eines Problems, das sich auf eine gegebene natürliche Zahl N bezieht, zurückgeführt auf seine Lösung für Zahlen, die kleiner sind als N, und so steigt man schrittweise herunter bis zu einer Zahl n, wo man das Problem lösen kann, bzw. wo es unlösbar ist. Mit Pierre de Fermat dieser Methode bewies Fermat unter anderem. daß jede Primzahl p der Form 4n + 1 als Summe von zwei Quadratzahlen dargestellt werden kann, sowie, daß die Gleichung in ganzen Zahlen unlösbar ist. Er behauptete, daß allgemein die Gleichung für jedes m größer als 2 in positiven ganzen Zahlen unlösbar sei, und schrieb auf den Rand seiner Diophant-Ausgabe, daß er einen wahrhaft wunderbaren Beweis dieses Satzes gefunden habe, daß der Rand des Buches aber zu schmal für diesen Beweis sei. Seither ist die Behauptung Fermats - die bis heute nicht bewiesen werden konnte - als der "Große Fermat" in die Geschichte der Mathematik eingegangen. Der "Kleine Fermat'' hingegen: , wenn p Primzahl und (a,p) = 1 ist, den er ebenfalls ohne Beweis angab, erwies sich als richtig (den ersten Beweis gab Euler). Eine andere

berühmte Behauptung von Fermat: " ist stets Primzahl" wurde später von Euler widerlegt und führte auf das bis heute offene Problem der "Fermatschen Primzahlen". Übrigens hat Fermat auch bedeutende Beiträge zur Entwicklung der Infinitesimalrechnung und der analytischen Geometrie geleistet.

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