Infinitesimalrechnung

[ Leibniz und Newton und die Entdeckung des Calculus ]

Nach dem Stand unseres heutigen Wissens haben Newton und Leibniz den Calculus unabhängig voneinander gefunden. Worin lag nun die eigentliche Leistung dieser beiden Männer? Wie wir gesehen haben, gab es bereits in der Zeit vor Newton und Leibniz eine Reihe von Methoden zur Bestimmung von Tangenten an Kurven und zur

Ermittlung von Flächeninhalten und Volumina. Aber alle diese Methoden waren spezielle Techniken, die auf das jeweilige Problem zugeschnitten waren. Fermat war dem allgemeinen Verfahren des Calculus schon ziemlich nahe, aber er erkannte die Tragweite seiner Technik nicht und erfaßte auch nicht, daß seine Quadratur- und Tangentenbestimmungsmethode zueinander inverse Probleme behandelten. Barrow kannte zwar den Zusammenhang zwischen der Inhaltsbestimmung und der Ermittlung von Tangenten, stellte diesen Satz aber nicht in den Mittelpunkt der Herleitung eines allgemeinen Verfahrens zur Lösung seiner Probleme.

Die Leistung von Leibniz und Newton war es nun, alle schon existierenden infinitesimalen Techniken zu einem geschlossenen mathematischen Verfahren auszubauen, in welchem der Fundamentalsatz eine zentrale Rolle spielte. Sie entwickelten damit ein mathematisches Werkzeug, dessen Anwendung die Lösung der verschiedenen Da

Quadratur- und Tangentenprobleme auf algorithmischem Wege ermöglichte. Man könnte also sagen, daß Leibniz und Newton als erste die Bedeutung des Calculus erkannten, der ja zu ihrer Zeit gewissermaßen schon bereit lag.

Newton entwickelte seine Ideen aus einer kinemetischen Vorstellung von Kurven, Flächen und Körpern. In seinem Manuskript "Quadratur von Kurven" schreibt er:

"Ich betrachte hier die mathematischen Größen nicht aus überaus kleinen Teilen zusammengesetzt, sondern durch eine fortwährende Bewegung erzeugt. Gerade werden nicht durch das Nebeneinandersetzen von Punkten beschrieben, sondern durch eine fortwährende Bewegung von Punkten erzeugt. Flächen werden erzeugt durch Bewegung von Geraden, Körper durch die Bewegung von Flächen, Winkel durch Rotation ihrer Schenkel, Zeit aurch ein gleichmäßiges Fließen. Diese Erzeugungen wurzeln in der Natur und können tagtäglich in der Bewegung von Körpern gesehen werden."

Kurven der Gestalt f(x,y) = 0 dachte Newton entstanden aus einer Überlagerung von zwei Bewegungen, nämlich als die Menge der Schnittpunkte zweier sich bewegender zueinander senkrechter Geraden. Diese vertikale und horizontale Bewegung ergab x und y als Koordinaten des Schnittpunktes. Die Koordinaten faßte er also als Funktion

der Zeit auf. Die Länge des horizontalen Geschwindigkeitsvektors bezeicrinete Newton mit x die Länge des Vektors der vertikalen Bewegung mit 9 (diese Bezeichnungsweise stammte aus den Neunzigerjahren des 17. Jahrhunderts; vorher verwendete Newton meist die Buchstaben p und q für diese Geschwindigkeiten).

In seinem Artikel "Abhandlung über die Methode der Fluxionen und unendlichen Reihen; mit Anwendungen auf Kurven" schrieb Newton:

"Jene Größen, die ich als sich langsam und unbestimmt vergrößernd ansehe, werde ich "Fluenten" oder fließende Größen nennen. Ich werde sie mit den letzten Buchstaben des Alphabets v, x, y und z bezeichnen. Dadurch kann ich sie von anderen Größen unterscheiden, die in Gleichungen als bekannt oder bestimmt aufgefaßt werden. Diese bezeichne ich durch die Anfangsbuchstaben a, b, c. Und die Geschwindigkeit, mit der jede "Fluente" durch ihre erzeugende Bewegung vergrößert wird (ich nenne sie Fluxion), werde ich durch dieselben Buchstaben mit einem Punkt darüber darstellen, also und ...

Aufgabe I. Die Beziehung zwischen den fließenden Größen (=Fluenten) sei gegeben. Man bestimme die Beziehung ihrer Geschwindigkeiten (=Fluxionen).

Lösung: Zerlege die Gleichung, durch die die Beziehung ausgedrückt ist, gemäß den Dimensionen einer der beiden fließenden Größen, etwa x, und multipliziere ihre Ausdrücke mit irgendeiner arithmetischen Folge und dann mit führe diese Operation getrennt für jede der fließenden Größen durch. Dann setze die Summe aller dieser Produkte gleich Null ("equal to nothing"), und du hast die gesuchte Gleichung."

Ist also die Beziehung f(x,y) = 0 zwischen x und y durch ein Polynom f(x,y)= gegeben, so ergibt sich die Beziehung von und aus der Gleichung . Das ist also nichts anderes als , oder, anders ausgedrückt:

Um den angegebenen Algorithmus zu verdeutlichen, gab Newton Beispiele an.

Das erste Beispiel lautet:

"Ist die Beziehung der fließenden Größen x und y gegeben durch so ordne die einzelnen Ausdrücke nach den Dimensionen von x und dann nach jenen von y. Sodann multipliziere sie auf folgende Weise

Die Summe dieser Produkte ist

.

Diese Gleichung gibt die Beziehung zwischen den Fluxionen und an. Denn nimmt man x beliebig an, so gibt die Gleichung den Wert für y an. Ist das bestimmt, so gilt ."

Insgesamt werden fünf Beispiele für die Anwendung der Regel zur Lösung von Aufgabe 1 angegeben. Beispiel 3 lautet:

"Besteht zwischen den Größen x und y die Beziehung , so schreibe für den Buchstaben z. Daher liegen zwei Gleichungen vor:

yy - aa - z = 0 und .

Die erste der beiden Gleichungen ergibt wie oben als Beziehung für die Geschwindigkeiten und , und die letztere gibt oder für die Beziehung der Geschwindigkeiten und . Nun eliminiert man und erhält . Nun setzt man wiederum für z, und erhält als gesuchte Beziehung zwischen und :

.

Newton hat also zunächst gezeigt, wie man aus der Gleichung zwischen den Elementen x und y auf die Gleichung zwischen den Fluxionen schließt. Nun wird in Aufgabe II das inverse Problem ebenfalls durch Angabe eines Algorithmus gelöst, es wird also der Fundamentalsatz als Ausgangspunkt und Fundament des "Calculus" gewonnen:

"Eine Gleichung, die die Fluxionen von Größen enthält, sei gegeben. Man finde die Beziehung dieser Größen zueinander.

Eine spezielle Lösung:

Da dieses Problem invers zur vorangegangenen Aufgabe ist, so muß es durch ein umgekehrtes Vorgehen gelöst werden. Das heißt, die Ausdrücke, die mit multipliziert gemäß der Dimension von x getrennt worden sind, müssen durch dividiert werden und dann durch die Zahl ihrer Dimension oder eine andere arithmetische Folge. Dann muß dieselbe Arbeit wiederholt werden mit den Ausdrücken, die mit , und multipliziert werden. Die daraus resultierende Summe muß Null gesetzt werden, wobei man die überflüssigen Ausdrücke zurückweist.

Beispiel: Sei die gegebene Gleichung gleich , so geht man auf folgende Weise vor:

Die Summe ist daher , und dies ist die gesuchte Beziehung zwischen den Größen x und y. Dabei ist zu beachten, daß, obwohl der Ausdruck axy zweimal auftritt, er nicht zweimal in die gesetzt wird, sondern der überflüssige Term zurückgewiesen wird. Wann immer irgendein Ausdruck zweimal oder noch öfter (wie im Fall von mehreren fließenden Größen) auftritt, so darf er nur einmal in die Summe der Ausdrücke aufgenommen werden.

Es gibt noch einige weitere Umstände, die beachtet werden müssen, diese werde ich aber der Weisheit des (Rechen)-Künstlers überlassen. Aber es wäre zwecklos, lange über diesen Dingen zu verweilen, denn die Aufgabe kann nicht immer mit dieser Kunst gelöst werden. Ich möchte aber anfügen, deß wir nach dem Aufstellen der Beziehung der Fluenten gemäß dieser Methode die Richtigkeit der Arbeit überprüfen können, wenn wir mittels der Lösungsregel für Aufgabe I zu der gegebenen Gleichung für die Fluxionen gelangen können."

Nun führt Newton aus, daß die Probe die Richtigkeit für die Lösung im oben angegebenen Beispiel zeigt. Er führt dann ein Beispiel an, in dem die "spezielle Lösung" nicht zum Ziel führt. Deshalb muß man eine allgemein gültige Regel finden.

"Vorbereitung auf die allgemeine Regel:

Zunächst muß beachtet werden, daß in der gegebenen Gleichung die Symbole der Fluxionen (da sie Größen sind, die von einer anderen Art sind als jene Größen, von denen sie Fluxionen sind) in jedem Ausdruck zur selben Dimensionszahl ansteigen müssen. Wenn es anders gegeben ist, so muß man sich eine andere Fluxion einer fließenden Größe als Einheit hineindenken, mit der die niedrigeren Ausdrücke solange multipliziert werden, bis die Fluxionssymbole in allen Ausdrücken mit derselben Dimensionszahl auftreten. Ist etwa die Gleichung gegeben, so faßt man die Fluxion einer dritten fließenden Größe z als Einheit auf, mit der man den ersten Ausdruck einmal, und den letzten axx zweimal multiplizieren muß, damit die Fluxionen in ihnen dieselbe Dimension wie im zweiten Ausdruck erreichen; so als ob die gegebene Gleichung aus durch das Setzen von = 1 abgeleitet worden wäre. Und in der Gleichung denke ich mir als jene Einheit, mit der der Ausdruck yy multipliziert werden muß.

Gleichungen, die nur zwei fließende Größen so beinhalten, daß in jedem Ausdruck die Fluxionen in derselben Dimension auftreten, können immer so reduziert werden, daß auf einer Seite das Verhältnis der Fluxionen steht (etwa ) und auf der anderen Seite der Wert des Verhältnisses, ausgedrückt durch einfache algebraische Terme, wie beispielsweise . Und wenn das oben angegebene spezielle Lösungsverfahren nicht zur Lösung führt, so muß man die Gleichung in diese Form bringen."

Nun geht Newton auf den Fall ein, daß die Ausdrücke in der Gleichung der "Fluxion" zusammengesetzt sind, oder Radikale, oder die Fluxion als Wurzel einer weiteren Gleichung auftritt. In diesem Fall muß die Reduktion "durch Division, oder Ausziehen der Wurzel, oder Lösung der weiteren Gleichung" geschehen.

Schließlich werden die zu behandelnden Gleichungen in drei Typen gegliedert:

  1. Solche, in denen die zwei Fluxionen von Größen stehen und nur eine ihrer fließenden Größen.
  2. Solche, in denen die beiden fließenden Größen zusammen mit ihren Fluxionen stehen.
  3. Solche, in denen die Fluxionen von mehr als zwei Größen vorkommen."

Für alle drei Fälle werden Lösungsalgorithmen angegeben und jeweils Beispiele vorgeführt.

Auf diese Weise hat Newton also ein mathematisches Werkzeug geschaffen, mit dessen Hilfe er Fragen lösen konnte, die in der Vergangenheit stets nur durch adhocVerfahren behandelt wurden. Auf Grund der algorithmischen Vorgangsweise ist der Name "Calculus" für dieses Werkzeug wohl angebracht.

Einen ebensolchen "Calculus" hat auch Leibniz angegeben. Wir wollen den Zugang von Leibniz zum Calculus an Hand eines Ausschnitts seines ersten diesbezüglichen Manuskripts aus dem Jahre 1684 beschreiben:

"Eine neue Methode für Maxima und Minima, und auch für Tangenten, die weder durch gebrochene noch irrationale Größen behindert wird, und eine bemerkenswerte Art zu deren Berechnung.

Seien eine Achse AX und mehrere Kurven, wie etwa VV, WW, YY, ZZ gegeben (siehe Abb. 202.1), deren Ordinaten VX, WX, YX, ZX senkrecht auf die Achse stehen und mit v, w, y bzw. z bezeichnet werden. Die Strecke die von der Achse abgeschnitten wird, heißt x. Mögen die Tangenten VB, WC, YD, ZE die Achse in B, C, D bzw. E schneiden. Eine Strecke, die wir beliebig auswählen, heißt dx, und jene Strecke, die sich zu dx so verhält wie v (oder w, oder y, oder z) zu (oder oder , oder ) heißt dv (oder dw, oder dy, oder dz), oder auch "Differenz" von diesem v (oder w, oder y, oder z). Unter diesen Annahmen gelten die folgenden Regeln des Calculus:

 

Ist a eine gegebene Konstante, dann ist da = 0, und d(ax) = adx. Ist y = v (wenn also die Ordinate jeder Kurve YY gleich zu jeder entsprechenden Ordinate der Kurve VV ist), dann ist dy = dv. Nun zur Addition und Subtraktion:

Ist z - y + w + x = v,dann ist d(z - y + w + x) = dv = dz - dy + dw + dx.

Multiplikation: d(xv) = xdv + vdx, oder für y = xv, dy = xdv + vdx. Es ist unerheblich, ob wir eine Formel wie xv oder ihren sie ersetzenden Buchstaben y nehmen. Es sei betont, daß in diesem Calculus x und dx auf dieselbe Weise wie y und dy behandelt werden, oder irgend ein anderer unbestimmter Buchstabe und seine Differenz. Auch sei darauf hingewiesen, daß wir nicht immer ohne eine gewisse Vorsicht von einer Differentialgleichung zurückschließen können. Darauf werden wir an anderer Stelle eingehen.

Nun die Division: oder (wenn z = ),

Das Folgende sollte über die Vorzeichen stets im Kopf behalten werden. Wenn im Calculus ein Buchstabe einfach durch sein Differential ersetzt wird, dann bleiben die Vorzeichen erhalten; für z schreiben wir dz, für -z stets -dz, wie wir es in obiger Regel für Addition und Subtraktion gemacht haben. Kommt es jedoch zu einer Erklärung der Werte, d.h. wenn die Beziehung von z zu x betrachtet wird, so können wir entscheiden, ob dz eine positive Größe ist oder kleiner als Null. Tritt letzteres ein, so ist die Tangente ZE nicht nach A gerichtet, sondern in die andere Richtung, von X her. Das geschieht, wenn sich die Ordinaten z mit wachsendem x verkleinern. Und da die Ordinaten v manchmal wachsen und sich manchmal verringern, wird dv manchmal positiv und manchmal negativ sein; im ersten Fall ist die Tangente VB nach A gerichtet, im letzteren Fall in die umgekehrte Richtung. Keiner dieser Fälle tritt in der Zwischenstellung in M auf, in dem Moment, wenn sich v weder verringert, noch vergrößert, sondern stationär ist. Dann gilt dv = 0, und es ist egal, ob die Größe positiv oder negativ ist, denn +0 = -0. An dieser Stelle v, mit der Ordinate , liegt ein Maximum (oder wenn die Krümmung zur Achse gewendet ist, ein Minimum) vor, und die Tangente an die Kurve in M ist weder in die Richtung von X hinauf nach A, noch hinunter zur anderen Seite gerichtet, sondern parallel zur Achse. Ist dv unendlich bezüglich dx, so steht die Tangente senkrecht auf die Achse, d.h. sie ist gleich der Ordinate. Gilt dv = dx, so schließt die Tangente mit der Achse einen halben rechten Winkel ein. Wenn mit wachsender Ordinate v ihre Differenz dv ebenfalls wächst (d.h., wenn dv positiv ist, so ist ddv, die Differenz der Differenz, auch positiv; und wenn dv negativ ist, so ist auch ddv negativ), so wendet die Kurve der Achse ihre konkave Seite zu, im anderen Fall ihre konvexe Seite. An jenen Punkten, in denen die Differenz maximal oder minimal ist, oder wo die Differenzen vom Positiven ins Negative Übergehen - oder umgekehrt - liegt ein Wendepunkt vor ("punctum flexii contrarii").

Dort wird die Konkavität und die Konvexität ausgetauscht, sofern die Ordinaten nicht auch vom Zunehmen ins Abnehmen übergehen - und umgekehrt. Also tritt ein Wendepunkt ein, wenn ddv = 0 und weder v noch dv gleich 0 sind . . ."

Wir sehen also, daß Leibniz im Gegensatz zum eher kinematischen Zugang Newtons einen stärker infinitesimalen Zugang wählt. Auch dieser Zugang wird sofort algorithmisch erfaßt. Im folgenden geht Leibniz dann auf die "Differenzen" für Potenzen und Wurzeln ein und merkt schließlich an:

"Da wir nun den Algorithmus dieses Calculus kennen, den ich "Differentialcalculus" nenne, können alle anderen Differentialgleichungen nach einer gemeinsamen Methode gelöst werden. Wir können Maxima und Minima finden wie Tangenten . . .

Wir haben nur zu bedenken, daß das Auffinden von Tangenten bedeutet, eine Gerade zu ziehen, die zwei Punkte einer Kurve verbindet, die einen unendlich kleinen Abstand besitzen."

Nun führt Leibniz eine Reihe von Anwendungen für die Algorithmen seines Calculus vor. Dazu ein Beispiel:

"Seien zwei Punkte C und E (Abbildung) gegeben und SS in derselben Ebene. Man finde einen Punkt F auf 55 so, daß nach dem Ziehen der Strecken und die Summe des Rechteckes aus und einer gegebenen Strecke h und dem Rechteck aus und einer gegebenen Strecke r möglichst klein ist. Mit anderen Worten, ist SS eine Gerade, die zwei Medien trennt, und repräsentiert h die Dichte des Mediums auf der Seite von C (etwa Wasser), r jene des Mediums auf der Seite von E (etwa Luft), so fragen wir nach jenem Punkt F, für den der Weg von C nach E über F der kürzest mögliche ist. Wir nehmen nun an, daß alle diese möglichen Summen von Rechtecken, oder allen möglichen Wegen, durch die Ordinaten der Kurve VV senkrecht auf die Gerade GK dargestellt werden. Wir nennen diese Ordinaten w. Dann muß man ihr Minimum finden. Da C und E gegeben sind, sind auch ihre Lote auf SS gegeben, nämlich (wir bezeichnen es mit c) und (wir bezeichnen es mit e). Weiters ist (wir nennen es p) gegeben. Nun schreiben wir für (oder ) den Buchstaben x, für ein f, und für ein g. Dann ist , oder kurz = ; oder kurz = .

Daher ist .

Die Differentialgleichung lautet (da dw = 0 im Fall eines Minimums) gemäß unserem Calculus:

.

Aber dl = -2(p - x)dx, dm = 2xdx; daher ist

h(p-x) : f = rx : g.

Wenden wir dies auf die Optik an, und nehmen wir f und g, d.h., und , als zueinander gleich an (denn die Brechung am Punkt F ist dieselbe, egal wie lange die Strecke ist), dann ist h(p -x) = rx, oder h : r = x : p - x, oder h : r = : . Daher sind die Sinus der Winkel des Einfalls und der Brechung, und , in einem umgekehrten Verhältnis zu r und h, den Dichten der Medien, in denen Einfall und Brechung stattfinden."

Das 18. Jahrhundert brachte einen raschen Ausbau des Calculus. Es waren vor allem die Anhänger von Leibniz, die für eine Verfeinerung und Weiterentwicklung sorgten. Allen voran sind hier die Mathematiker der Familie Bernoulli und Leonhard Euler zu erwähnen. Im Zentrum der Bemühungen vieler Mathematiker des 18. Jahrhunderts stand die Anwendung des Calculus auf die Physik (vor allem auf die Mechanik) und die Astronomie. Zwar wurden auf diesen Gebieten rasch große Erfolge erzielt (u.a. von Lagrange, Legendre und Laplace), aber mit der Zeit machten sich die Mathematiker immer mehr Gedanken über die logischen Grundlagen, auf denen die Begriffswelt des Calculus aufgebaut war. Das allgemeine Unbehagen darüber führte zu Bemühungen von d'Alembert und vor allem Lagrange, einen exakteren Aufbau des Calculus zu finden. Der Durchbruch zu einem höheren Exaktheitsniveau gelang dann im 19. Jahrhundert durch Cauchy und Weierstraß, die die Prinzipien der Analysis auf die Begriffswelt der reellen Zahlen zurückführten, indem sie eine Arithmetisierung der Analysis durchführten. Dadurch wurde die Analysis in eine Form gebracht, in der sie auch heute noch (meistens) an unseren Universitäten in den einschlägigen Einführungsvorlesungen vermittelt wird.

 

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